
Verstand sich die Menschheit der Moderne als Eroberer, sieht sie sich heute lieber als Opfer. Das Versprechen einer besseren Welt, frei von Fatalismus und Fanatismus, das Aufklärung und Revolution einst gegeben haben, ist einer sich selbst bemitleidenden Gesellschaft gewichen. Die Größe der Zivilisation zeigt sich darin, dass sie sich um die Gedemütigten und Zukurzgekommenen sorgt. Die Kehrseite dieses Fortschritts jedoch ist, dass, wer sich als Opfer zu Wort meldet, andere damit erpressen kann: eine Pathologie der Anerkennung. Ausgerechnet im hedonistischen Westen hat das Leiden eine neue Heiligkeit erlangt, es ist zu einem Haupt der Medusa geworden, dessen Anblick einen erstarren lässt. Jeder, ob reich oder arm, Mann oder Frau, trägt seine Benachteiligung wie ein Patent zur Schau, um sich über seine Mitmenschen zu erheben. Dieser verbitterte Schmerzenskult lässt die Figur des Märtyrers wiederaufleben und nährt die beiden großen Leidenschaften des Grolls und der Rache. Auch die Glücklichen und Mächtigen wollen zur Aristokratie der Ausgegrenzten gehören – auf Kosten der wirklich Unglücklichen.
»Der Linken ist die revolutionäre Klasse abhandengekommen, deshalb haben sie die muslimischen Massen sakralisiert und zur Speerspitze gegen den Kapitalismus gemacht. Sie lieben abgöttisch, was zum Islam gehört: den Schleier, den Burkini ... Das Symbol der Unterdrückung wurde zum Symbol derEmanzipation. DieMuslime sind die neuen Verdammten der Erde, die neuen
Armen, obgleich die muslimischen Länder ziemlich reich sind.« (Pascal Bruckner im Interview)
»Unerschrocken ist er, vor Attacken scheut er nicht zurück. Der Romancier und Essayist Pascal Bruckner gehört zu den ›Nouveaux Philosophes‹, die sich, aus einer linken Tradition stammend, zu scharfen Kritikern des Multikulturalismus und des Islamfaschismus samt seiner Verbündeten entwickelten. Polemisch wendet Bruckner sich gegen die identitären Irrungen der postkolonialen Linken und plädiert für eine Rückbesinnung auf Laizismus und Universalismus. In seinem jüngsten Buch ›Die Gesellschaft der Opfer‹ geht er dem Phänomen der sich selbst bemitleidenden Gesellschaft auf den Grund.« (Ute Cohen, Die Literarische Welt)
»Erhellend, vielfältig anregend und spannend zu lesen, ein luzides Porträt unserer (westlichen) Zeit, deren Bewohner sich wohl mehrheitlich als sensibel und am Leben leidend einstufen würden, jedoch hauptsächlich egozentrisch und wehleidig unterwegs sind.« (Hans Durrer, Across cultures-Blog)